Gracias Julian
Gracias Julian

Das Ankommen in einem unbekannten Land ist für mich immer erst einmal ein Abgleichen. Ein Abgleichen der Bilder und Informationen die man vorab, oft im Laufe vieler Jahre erworben hat, mit dem auf das man wirklich trifft. Pablo Escobar, Guerilla,  Schlagzeilen machende Entführungen durch die FARC, wie etwa die von Ingrid Betancourt, Kaffeeplantagen und wenn es etwas tiefer gehen darf kommen die Bücher von Gabriel Garcia Marquez und der Künstler Fernando Botero dazu. Ein nicht allzu einladender Eindruck der Kolumbien aus der Ferne zeigt. Gefunden habe ich hier etwas vollkommen anderes. 

Nach sieben Tagen und gar nicht so vielen Radkilometern, was an den verflixt langen Steigungen liegt, glaube ich ein kleines bisschen hineingeblinzelt zu haben, in das Land zwischen Anden und Karibik. Durch die viele Zeit auf den Strassen ist der Verkehr wohl einer der prägendsten Dinge auf unserer bisherigen Reise. 

Schon der Weg aus Bogotà war keineswegs der Alptraum eines Fahrradfahrers durch den Grossstadtdschungel einer 12 Millionen Metropole, sondern ein Fliessen im dichtesten Fahrradverkehr und in ordentlicher Geschwindigkeit. Dabei finden sich nicht nur vereinzelt hochkarätige Renn- oder Triathlonräder. Die Randbezirke und kleinen, teilweise kolonialen Städtchen die Bogotà umschliessen, mit ihren grossen kolonialen Plätzen, sind bevölkert mit Radlern in bester Ausrüstung. Da sassen wir dann bei grünen Mangos mit Salz und Pfeffer auf den Stufen vor der Kirche und so einige kamen auf einen kurzen Schwatz zu uns, fragten nach dem Woher und Wohin, oder hoben die Daumen beim vorbeifahren. Übrigens nicht nur die Radfahrer, sondern auch die Autofahrer hupen kurz und strecken die gereckten Daumen aus den Fenstern. Obwohl wir zeitweise extrem befahrene Strassen befuhren, auf denen sich Schlangen von 40 Tonnern und Kleinlastwägen in Russwolken den Berg hochschoben, hielten fast alle Abstand und passierten uns bewusst vorsichtig. Trotzdem ist es beeindruckend und auch nervig neben unfassbar lauten und stinkenden LKWs zu fahren, die sich von hinten ankommend wie wilde Tiere anhören. Sehe ich Lukas neben den Monstern wird mir ganz anders und trotzdem ist es erstaunlich leicht, sich in Staus zwischen ihnen durchzuquetschen oder sich die, durch einen der täglichen Regenschauer nassen Füsse, an den Auspuffgsen wärmen zu lassen. Es ist schon eigenartig an was man sich erfreuen kann. Auspuffgase an nassen Füssen.


Überhaupt ist das Wetter eine Sache für sich. Bisher regnete es jeden Tag und es wird wohl auch so weitergehen. In tieferen Regionen, in denen die Temperaturen auch bei Gewittern um die 20 Grad liegen, wäre das nicht weiter dramatisch, im Hochland oder auf Gipfeln kann es hingegen ausgesprochen frisch werden und nach nur sieben Tagen war tatsächlich alles was wir dabei haben nass. Teilweise findet sich schon Rost oder Stockflecken. Ich bin gespannt was unsere Ausrüstung in ein paar Wochen zeigt. Und auch wir zeigen schon leichte Ausfallerscheinungen. Ich, da mich die Höhenmeter ganz schön mitnehmen, beim Lukas ist es eher sein einziges geschundenes Tshirt, neben zwei Tanktops. Ich bin ja eher der Meinung das Ding wäre mittlerweile hervorragend dazu  geeignet die Kette von seinem Rad damit zu putzen. 


Und obwohl das Wetter schon aufdringlich ist, kann es den Gesamteindruck von Kolumbien nicht relevant drücken. Seitdem wir ankamen wurden wir mehrmals eingeladen zu bleiben, wir führten unzählige kleine Gespräche und vollkommen Fremde suchten uns die besten Sightseeing Punkte auf unserer Strecke heraus, während sie unentgeltlich auf unsere Fahrräder aufpassten. Ganz bezaubernd finde ich es, wenn der blonde, schlanke Lukas von kichernden Mädchen umringt wird und sich tapfer mit seinem Spanisch rumschlägt, dass nach so kurzer Zeit wirklich ausserordentlich praktikabel ist.

 In nur einer Woche erhielten wir eine Einladung zum Frühstück, nachdem wir illegal unser Zelt auf dem Grundstück der Familie aufschlugen und sie sich Sorgen um uns machten, wegen der dort lebenden Schlangen, übernachteten bei einem wildfremden ehemaligen Radrennprofi dem wir vor Medellin auffielen (Gracias Julian por tu invitación!) und bekamen mittlerweile einen Haufen Obst geschenkt. Abgesehen von den vielen Informationen und kleinen Hilfestellungen, die wir, fast nebenbei, erhielten. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr fallen mir ein. Der junge Mann der Bedenken hatte, dass unsere Räder geklaut werden als wir in der Nähe seines Hauses schliefen und auch die Polizisten die uns mit eingeschaltetem Blaulicht in der Nacht weckten, waren eher perplex und wussten nicht, was sie mit uns anfangen sollten, als dass sie uns vertreiben wollten. Als wir durch eine weltabgeschiedene Gegend im Regenwald, eine Rumpelstrasse rauf und runter, fuhren und uns das Essen ausging, fanden wir uns auf zwei Platikstühlen in der Mitte eines Lagerraums wieder, glücklich die Bananen mampfend, die uns das verwunderte Ehepaar des Hauses in die Hand drückte. Die zwei standen vor uns, ungläubig wie wir ihre, eigentlich zum Kochen bestimmten Bananen in uns reinstopften. Ich denke wir waren länger Gesprächsthema in der Gegend und waren wieder fit genug in einer feinen Schussfahrt einige hundert Höhenmeter Schotterpiste runterzuheizen. 

Hoch fahren ist hier aber durchaus zäh, in den Anden und seinen Ausläufern. Mittlerweile habe ich mir das Nachfragen nach der Länge des Aufstiegs jedoch abgewöhnt. Einmal erhielt ich die Antwort "quasi", also "fast" und juckelte mich dann noch gute drei Stunden den Berg hoch, meist hört man aber "siempre", auf die Frage ob es noch lange bergauf geht. "Immer". Und es stimmt, es geht immer bergauf. Aber ich wurde  auch aufgemuntert, und musste lachen bei dem Kommentar: "Danach geht's bergab". Na dann...

Frische Tomaten mit Blick
Frische Tomaten mit Blick
Tja...Regen
Tja...Regen
Medellin
Medellin
Kleinstadt im Hochland, fein rausgeputzt
Kleinstadt im Hochland, fein rausgeputzt
Matsch in allen Farben
Matsch in allen Farben