Nach Panama war die Einreise nach Costa Rica für mich ein Aufatmen. Die Grenze, eine von Menschen gemachte imaginäre Linie, ohne in irgendeiner Weise einer geographischen Markierung wie einem Fluss oder einem Höhenzug folgend, wurde durch die unterschiedliche Infrastruktur und Politik der beiden Länder Panama und Costa Rica zu einer tatsächlich physisch spürbaren Grenze. Das chaotische Grenzgeschehen hinter mich lassend, wirkt das Land ruhig und mit seinen teilweise riesigen Bäumen sofort angenehm und es lässt die enorme Biovidersität erahnen die jenseits der Strasse liegt. Schon 1948 wurde in Costa Rica das Militär abgeschafft und der frei gewordene Etat in Umweltschutz, Gesundheitssystem und Bildung investiert und das ist auch spürbar. Für uns als Reisende leider auch am Geldbeutel. Denn damit einhergehend entwickelten sich, auch durch den Tourismus geprägt, entsprechende Preise. Überhaupt bei den Lebensmitteln zahlen wir oft mehr als in einem deutschen Supermarkt. Entsprechend wurde leider auch Costa Rica für uns mehr zum Transitland, als ich es mir erhofft hatte, einfach um nicht viel zu viel auszugeben. Schon das erste Städtchen das ich ansteuerte, Uvitas, erwies sich als Surfer Geldgrab. Zwar sass ich hübsch zwischen phlegmatisch-lasziven Wellenreiterkörpern, aber mein 10 Dollar Frühstück erwies sich als so klein, dass mein Radlerhunger noch im nahegelegen Supermarkt restlos gestillt werden musste.

 Lukas, der zu dem Zeitpunkt noch irgendwo auf der Strecke war, traf ich später, mehr aus Zufall, am nächsten Strand. Und mag mir  Costa Rica in vielen Dingen auch nicht liegen, die Strände sind einfach unfassbar schön. Lange Buchten, teilweise mit spassigem Wellengang und kaum Menschen sind keine Seltenheit. Ich beschloss gleich über Nacht zu bleiben und Lukas schloss sich mir an. Während er ein Surfbrett auslieh, für den ausnahmsweise moderaten Preis von 10 Dollar für zwei Stunden, kämpfte ich mit den Leguanen. Anfangs umschlich ich die bis zu 70cm langen Tiere noch vorsichtig, nachdem die ernsthaft versuchten ins Zelt zu schlüpfen und der Grosse, Papa Leguan sich auf eibem Ast, einen Meter über meinen Kopf platzierte und davor schon ungemütlich nahe kam, bewaffnete ich mich mit einem Stock um notfalls mein Essen mit roher Gewalt zu verteidigen. Bei Nahrungsmitteln hört der Spass auf und Verteidigung ist angesagt.

Immerhin sind die Viecher wohl nur tagaktiv und ein Einbruch in unser allerheiligstes Schlafgemach, seitens der kleinen Drachen fand nicht statt. 

Nachdem wir die Strände hinter uns gelassen hatten wurde die Panamericana zu einer schnurgerade gezogenen Linie durch das Land, der alten Bahnlinie der United Fruit Company folgend. Bis weit in die 1960er Jahre  wurden mit der Bahn Arbeiter und Fracht transportiert. Viele Arbeiter stammten aus Nicaragua, die während der Diktatur der FSNL aus Nicaragua geflohen waren. Die ausbeuterische Situation die sich unter anderem durch die Verknüpfung der United Fruit Company mit der jeweiligen regionalen Politik ergab und ausweitete, brachte einige Länder, darunter auch Nicaragua, zum straucheln und brachte den bekannten Begriff "Bananenrepublik" hervor. Costa Rica selbst war von der Landnahme und der Monopolstellung natürlich ebenso betroffen. 

Mittlerweile ist die Ebene an der Pazifikküste zwischen Dominical und Jako von Palmölplantagen geprägt und somit auch Costa Rica nicht frei von Monokulturen. Die Ausmasse sind für uns Durchreisende ohne Hintergrundwissen kaum einschätzbar, aber die grossen Ölpressen mit ihren Schloten zumindest auffällig.

Ab Jako bis nach Liberia, ein ungefähr 200km langer Abschnitt ist für Fahrradfahrer extrem unangenehm zu befahren. Die Panamericana ist verkehrsreich, schmal und teilweise kurvig. Meine Nerven lagen durch die minimalen Abstände der an mir vorbeidonnernden 40Tonner blank und meine psychischen Kekspausen häuften sich. Als ich aufgeben und ein Stück trampen wollte, aber niemand stehenblieb, verfluchte ich jegliche motorisierten Fahrzeuge. Da es faktisch keine Züge mehr gibt, verlagert sich alles auf die Strasse und versucht darauf und daneben zu überleben. Und wir zwei Radler eban auch. Im tiefsten, fluchendsten Moment hielt mir ein Autofahrer mehrere Proteindrinks zum Fenster raus und ich stand ganz gerührt mit den Tetrapacks im Arm da. Irgendwie geht es dann doch weiter und meist sind es die Pausen die mich so fiese Wegstrecken doch irgendwie ertragen lassen.

 Auch die nächste Unterbrechung war durchaus kurzweilig. Nachdem ich, durch grosse, schön gemaserte Holzbretter neugierig geworden, die Kamera zückte, wurde ich eingeladen die angeschlossene Schreinerei zu besichtigen. Die Dame des Hauses, man sah es schon an ihrer Oberarmmuskulatur, leitete die Schreinerei selbst und zwei ihrer Söhne helfen mit. Das Holz sucht sie direkt aus und kauft dazu einzelne Bäume, die sie fällt, lagert und nach etwa eineinhalb Jahren zu Möbeln verarbeitet. Die wunderschönen Vollholztische, aus einem einzigen Brett gezimmert oder die aus duftendem Zedernholz gebauten Betten werden bis in die Hauptstadt San José verkauft und erzielen schon dort bis zu 1000 Euro. Nicht auszudenken welche Preise in Deutschland dafür verlangt werden könnten. Leider ist es natürlich unmöglich für mich so ein Schmuckstück mitzunehmen und es blieb mir nicht mehr als der armen Frau ein Loch in den Bauch zu fragen und mir alles erklären zu lassen.

Nach dem Städtchen Cañas weitete sich die Strasse und das radeln wurde wieder angenehm. Ein weiterer platter Reifen liess mich zur Unzeit pausieren, wodurch ich aber einen überaus netten Schlafplatz im Garten eines Restaurants ergatterte und am nächsten Tag bis zum späten Vormittag die Grenze erreichte. Lukas, bereits vor Ort und vor der gleissenden Sonne im Schatten versteckt hatte bereits ungute Informationen über die Grenzformalitäten herausgefunden. Um nach Nicaragua einzureisen wurde ein teurer PCR Test verlangt, der nur im etwa 100km entfernten Liberia durchführbar ist. Es blieb uns nichts anderes übrig als unsere Fahrräder im nahegelegenen LaCruz unterzustellen und den frappierend günstigen Bus nach Liberia zu nehmen, was faktisch heisst, dass wir durch das Radeln nicht einmal Geld sparen. Wir sind sicher wir verfressen mehr, als wir jemals durch die Busfahrkarten einsparen können. Finanziell ist Costa Rica also von vorne bis hinten ein Desaster gewesen und trotzdem konnten wir es noch gut abschliessen, schliefen wir die letzte Nacht noch einmal an einem wunderschönen, weiten Strand und versteckten uns vor einen ohrenbetäubenden Gewitter im Zelt, während draussen die Kinder, unbeeindruckt von Blitz und Donner im Wasser kreischten und plantschten. Das Prinzip, wie es in Deutschland gilt, bei Gewitter das Wasser zu verlassen, kommt hier einfach nicht zum tragen.

Endlich an der Grenze Panama/Costa Rica
Endlich an der Grenze Panama/Costa Rica
Ein guter Schlafplatz
Ein guter Schlafplatz
Beeindruckende Viecher
Beeindruckende Viecher
Palmölfabriken
Palmölfabriken
Wunderschöne Möbel
Wunderschöne Möbel
Um Liberia endlich wieder Radkollegen
Um Liberia endlich wieder Radkollegen
Unten am Strand dr letzte Abend in Costa Rica
Unten am Strand dr letzte Abend in Costa Rica
Strandbäume
Strandbäume