Puerto Escondido, der Hotspot für Surfer war ideal für mich um mich ein bisschen auszuruhen. Aber es wird langsam Zeit mich wieder auf den Weg zu machen und ich fahre, wie immer, früh Morgens
los. Es ist mein Geburtstag und erste Grüsse von zu Hause sind schon eingetrudelt. Ich bin also, trotz kleinen Resten von Bauchgrimmen, recht guter Laune und sause die Küstenstrasse entlang, die
sich als langweiliges, aber leicht fahrbares Band bis nach Acapulco erstreckt. Erst kurz vor Acapulco, nach etwa 300km biege ich in das Landesinnere und somit in die Berge ab. Leider sieht man
von der Strasse aus kaum das Meer. Links und rechts ist meist nur dichtes Gehölz auszumachen und entsprechend langweilig sind die zwei Tage. Ausser Hitze, Asphalt und ab und zu ein paar Tacos
gibt der Abschnitt nicht viel her. In San Marcos biege ich nach einem Atole Frühstück Richtung Cuernavaca ab. Bis Mexico Stadt sind es noch knapp 300 km. Ohne die mehreren tausend Höhenmeter wäre
es ein Klacks, aber so bereite ich mich schon lange davor mental auf einige anstrengende Tage vor und bin damit auch ganz gut beraten.
Beim Frühstück, das vor dem ersten Anstieg noch dringend brauche, wird mir erzählt dass die gleiche Strecke mitte Dezember als Stafellauf absolviert wird, jedoch in umgekehrter Richtung, um eine
in Mexico Stadt geweihte Marienstatue zurück in ihr Dorf an der Küste zu bringen. Ein junger Kerl, der neben mir am wackligen Frühstückstisch sitzt, an dem riesige mit Hühnchen gefüllte
Sandwiches in der morgendlichen Kühle vertilgt werden, zeigt mir Videos davon, die er mot beeindruckender Qualität und sicher einigem Aufwand hedreht hat. Junge Leute wechseln sich mit dem Tragen
einer Fackel ab und die Pritschen der Begleitfahrzeuge sind voll mit Leuten die bereit stehen sich mit dem jeweiligen Läufer abzuwechseln. Auf dem vordersten Fahrzeug thront die Statue der Virgen
de Guadalupe, geschmückt und ordentlich festgeschnallt. Unterwegs wird der Trupp der die Statue nach der Segnung in Mexico Stadt zurück in die heimatliche Kirche bringt, von Freiwilligen
versorgt, dürfen sich bei Privatpersonen waschen und bekommen Kost und Logis gestellt. Es steckt also eine ganze Menge Logistik und Organisation in der ganzen Sache. Mich beeindruckt die Leistung
der Sportler, doch mein Tischnachbar erklärt mir, dass keineswegs die Läufer zum Stocken des Konvois fûhren. Dazu wechseln sich zu viele Leute ab und unterstützen sich, sondern, wenn überhaupt,
macht das Material Probleme. Auf der flirrend heissen Küstenstrasse überhitzen gerne die Motoren, die durch die Laufgeschwindigkeit der Athleten keinen kühlenden Fahrtwind abbekommen. Und dann
muss improvisiert werden. Ich nippe an meinem heissen Atole, einer süssen Reissuppe, die meinen Magen wohltuend auskleidet und Kraft in die Beine schickt, während aus der Ladefläche des alten
Pickups vor mir Unmengen an Frühstückszutaten gezaubert werden und an eine wartende Schlange Hungriger verkauft werden und erzähle von meinen technischen Problemen mit dem Fahrrad und wir zwei
Fremden sind kurz miteinander verbunden in unserer Lust aufs Unterwegssein. Nach dem Essen biege ich ab in die Berge. Meter für Meter werden die Temperaturen erträglicher und da ich mich bereits
auf schwierige Tage eingestellt habe, ist es eher angenehm als hart. Ich durchfahre kleine, ruhige Dörfer in denen bereits Vorbereitungen zum "Dia de lis muertos", dem hiesigen Allerheiligen
laufen. Vier Tage wird es ingesamt gefeiert, auch wenn der Hauptfeiertag der zweite November ist. Dann kommen die Seelen der Toten zurück auf die Erde und werden von Angehörigen und Freunden
empfangen. An den Tabernakeln am Wegesrand werden die Türchen geöffnet und leuchtende Studentenblumen davorgestellt um die Toten gebührend zu empfangen. Aber auch Personen des öffentlichen Lebens
werden verehrt. Ein Schriftsteller oder ein verstorbener Künstler kann genauso einen Altar geschmückt bekommen wie die geliebte Grosstante. Nicht nur jeder Haushalt, sondern auch jedes Geschäft
und auch die öffentlichen Gebäude sind mit bunten Fahnen geschmückt. Oft sind Skelette und Totenschädel neben den mit orange leuchtenden Tagetes ausgelegten Altären zu sehen. Fotos der
Verstorbenen sind neben brennenden Kerzen aufgestellt und um die Toten werden mit ihren die Lieblingsspeisen und Getränke bewirtet. Auch wenn es meist ein fröhliches Fest ist, bei dem in den
Dörfern riesige Töpfe Pozol auf Holzfeuern brodeln, von dem ich oft geschenkt bekomme, ist es auch manchmal schockierend, lese ich, überhaupt in grösseren Städten die Aufschriften neben den
Fotos. Nicht wenige Covid Tote sind darunter und es werden ihnen an gesonderten Plätzen nochmal Fotos und Speisen dargereicht. Am stillsten lassen mich die Ermordeten zurück. Ich lese Sätze wie
"Durch Kopfschuss wegen Homosexualität ermordet" und "Wegen Transvestie mit sechs Schüssen getötet". Die Ortsnamen die darunter stehen kenne ich, durch einige bin ich durchgefahren. Ruhig lagen
sie in der Sonne, ein paar träge verstaubte Läden mit zuviel ungesundem Essen und ein paar dürre Hunde die im Schatten liegen, das war mein belangloser Touristenblick der mir nur eine kleine
Facette gezeigt hat. Die Kehrseite sieht man nicht, auch wenn man wohl davon weiss. Und niemand spricht darüber, erst recht nicht mit einer Fremden wie mir.
In jeder grösseren Gemeinde die etwas auf sich hält ist an diesen Tagen ein Markt mit Essständen und regionalen Besonderheiten. Ich mampfe mich also durch den Bundesstaat Guerrero. Auffällig oft
bekomme ich etwas zu Essen geschenkt oder noch eine extra Obst oder ähnliches zu meinem dampfenden Teller mit Hühnchen dazu serviert. Ich muss schon etwas verhungert aussehen und stopfe zufrieden
alles, ausser zu viele Tortillas, die mag ich immer noch nicht, in mich hinein was mir vorgesetzt wird.
Tacos, Atole und das süsse Brot, dass es nur an diesen Tagen gibt lassen mich recht beschwingt durch die kargen Berge juckeln. Ich komme nicht schnell vorwärts, was mir auch nicht wirklich etwas
ausmacht. Es sind meine letzten Radtage. Ich kreuze zu viele klare Flüsschen, an denen ich unbedingt baden muss, damit ich wohlriechend und frisch durch die Kakteen trockene Landschaft radl um
wirklich schnell vorwärts zu kommen. Mir wird es immer bewusster, jetzt ist meine Reise bald vorbei und ich nehme den Minzgeruch der Berglandschaft und jeden Cardon Kaktus, der sotypisch für
Mexico ist, nochmal anders wahr. Morgens, wenn die Sonne alles in orange und gelb Töne taucht, erwische ich mich wie es mir schwer ums Herz wird. Trotzdem, es reicht. Ich habe lange unterwegs
sein können und es wird Zeit nach Hause zu kommen und andere Aufgaben in Angriff zu nehmen.
Nach Cuernavaca hoch ist es nochmal ein ordentlicher Anstieg und der Verkehr, der sich so kurz vor Mexico Stadt, es sind nur noch etwa 100km, schon zu verdichten scheint, strengt mich ordentlich
an. Mir ist das erstbeste Hostal recht, was sich als absoluter Glücksgriff erreicht. Das hundert Jahre alte Gebäude mit seinen hohne Decken und schweren Möbeln ist ein Bollwerk gegen die hupende
und quietschende Aussenwelt. Wenn ich mich nicht gerade ins Getümmel und die Märkte des "Dia de los muertos" stürze, darf die Welt auch mal einige Stunden ausgesperrt bleiben und ich kümmere mich
schon um erste Unisachen. Ein paar Tage bleibe ich hier, in meinem Refugium, dann muss ich mich dem letzten steilen Stück nach Mexico Stadt stellen und auch langsam alles für den Rückflug
vorbereiten. Immerhin muss nicht nur der Check-in usw. erledigt werden, sondern auch das treue Fräulein Tu für den Flug auseinandergebaut und verpackt werden. Und noch ein bisschen Mexico Stadt
möchte ich mir auch anschauen, hat sie doch mit über neun Millionen Einwohnern eine beeindruckende Grösse und sicher einiges zu bieten.
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